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Für einander da sein …

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Auch wenn ich in den letzten Wochen im Netz inaktiv war, war ich nicht untätig. So wie eine fleissige Biene habe ich mich hauptsächlich mit zwischenmenschlichen Beziehungen beschäftigt. Allerdings musste ich mit Schrecken feststellen, dass nicht nur die Biene, sondern auch ich mehr und mehr zu einer aussterbenden Gattung gehören.

Als vor ein paar Wochen eine scheinbar nicht in Österreich geborene Familie in die 3. Parzelle links von eins einzog, war ich total überrascht, wie an einem Tag unzählige – geschätzt 30 – Personen auftauchten, die beiden Hütten räumten, putzten und mit Matratzen, Griller, Waschmaschine usw. innerhalb eines Tages bezugsfertig und angesiedelt waren.

Dies erinnerte mich an den Zusammenhalt, den ich erlebte, als ich noch ein Kind war. Wenn jemand Hilfe brauchte, tanzte spontan die ganze Verwandtschaft und Nachbarschaft an und war zur Stelle. Entweder um mit einem Rat zur Seite zu stehen oder um helfend gleich zur Tat von was auch immer grad nötig war – Dachdecken, Heu einbringen, Obst ernten, … – zu schreiten. Wenn ich heute etwas plane und meine Familie und Freunde gerne dabeihätte, muss ich schon ein Jahr vorher eine Save the date Einladung schicken, mehrere Reminder versenden, damit ich vielleicht in einem Jahr mit einer Anwesenheit von 80 Prozent rechnen kann.

Seit ich diesen Zusammenhalt einer fremden Kultur erlebt habe, stimmte mich das Erlebte in meinem Umfeld bzw. bei Beobachtungen fremder Personen eher traurig und machte mich auf jeden Fall nachdenklich.

Was ist während meiner Blogpause passiert? Eigentlich nichts Drastisches. Das Gute: Auch ich habe meine Sommerpause nicht auf einer fernen Insel, im sonnigen Süden oder auf einer Almhütte verbracht, sondern in der näheren Umgebung darauf geachtet, so viel als möglich Zeit mit meinem Lebenspartner, Freunden und Familie zu verbringen, die ja im Alltag sowieso meist zu kurz kommen und das war wunderbar und sehr befruchtend. Es war schön zu sehen, dass auch in unseren Gefilden, zumindest in der Urlaubszeit ein verwandtes und freundschaftliches Miteinander möglich und wunderbar ist.

Das schlechte: Immer wieder habe ich gemerkt, dass ich zu den wenigen Menschen zähle, die egal ob Urlaub oder nicht, erreichbar sind und manchmal auch für spontane Überraschungen zur Verfügung stehe. Wie habe ich aber mein Umfeld erlebt?

Wenn ich auf stundenlang oder sogar tagelang auf einen Rückruf warte, schreibe ich ein freches Mail oder ein fragende SMS und die Reaktion erfolgt sofort, warum nicht gleich?

Wenn ich eine nahe Verwandte anrufe, nimmt die Tochter ab und meint, die Mama kann jetzt nicht, es dauert noch 30 Sekunden, bis sie ihr Spiel fertig gespielt hat?

Die Kinder kommen fröhlich nach Hause und wollen das Erlebte berichten und Mama starrt uninteressiert in ihr Buch oder auf ihr Handy.

Das Kind verbringt die Hauptzeit der Ferien Indoor mit Klimaanlage, um an etwas zu programmieren.

Besuch fragt, ob er vorbeikommen kann, weil die Nachbarin keine Zeit hat – komisch, die habe ich doch grad vergnügt und entspannt vorbeigehen sehen.

Verwandte fragen vorsichtig an, ob sie eventuell eine Nacht bei uns Quartier bekommen, denn ihr geplanter Quartiergeber ist krank – interessant, die ist doch grad schwimmen gegangen, oder?

Ein Kollege lehnt meine Mitfahrgelegenheit dankend ab, weil er lieber alleine im Zug fährt, denn da kann er besser arbeiten – persönlicher Austausch nicht erwünscht, man möchte seine Ruhe haben.

Man trifft sich gerne, aber nur, wenn es veganes oder sonstiges allergenfreies Essen gibt.

Tier vor Mensch – man hat keine Zeit für menschliches Miteinander, weil man seinen Hund oder sein Pferd verhätscheln muss. Herumtragen, überfüttern oder sogar im Kinderwagen spazieren führen ist zumindest nach meinem Empfinden kein artgerechtes Tierleben.

Kind voraus: Unsere Jüngsten werden herumgetragen und -chauffiert – oft so lange bis sie sich selbst nicht mehr bewegen und müssen die Eigenständigkeit oft verspätest mühsam erlernen. Noch vor dem Erlernen des Krabbelns oder Gehens werden den Kleinsten Smart Phones in die Hand gelegt.

Ich parke seit einem Jahrzehnt immer an derselben Stelle – links von der Fahrspur, ein Zettel: „Parken sie bitte am Parkplatz“ vertreibt mich und lässt mich rechts einparken. Neuerlich ein Zettel zwingt mich einen großen Parkplatz zu nutzen, auf dem der näheste Teil immer zugeparkt ist und ich somit ab jetzt einige hunderte Meter zu meinem Wochenendquartier wandern muss – warum? Man muss oder kann anscheinend nicht alles verstehen …

Beim Aussteigen in den Lift unseres Wohnhauses werde ich von einem aussteigenden leeren „Einkaufswagen“ mit Begleiter einfach angerempelt und weggeschoben – quasi wieder in den Lift zurückgedrängt. Einsteigen vor Aussteigen, ist das eine neue Verhaltensregel von der ich bis jetzt nichts mitbekommen habe?

Im Supermarkt frage ich: Haben sie xy? „Weiß ich nicht, glaube nicht“ kommt als Antwort. Auf einmal drehe ich mich um und siehe da, das gesuchte xy Teil ist doch vorhanden. Die allgemeine Faulheit und Bequemlichkeit hat anscheinend auch schon in so manchen Geschäften Einzug gehalten (dumm stellen und nur nicht nachdenken oder anstrengen scheint hier das neue Motto zu sein).

In letzter Zeit beobachte ich auch gerne alte Leute, was mich ebenso sehr nachdenklich stimmt. Sehr oft sieht man ältere Personen planlos herumstehen, mit dem Auto schleichen, laut reden, sodass wirklich alle innerhalb eines Umkreises von 500 Metern mithören können. Auch das in erster Reihe oder direkt vor der Eingangstür des Geschäftes parken oder sich mit einem fadenscheinigen Grund vordrängeln, scheint bei der über 60 Generation grad in Mode zu sein. Beim Arzt ist mir das vor kurzem passiert. Eine Reihe von 4 Personen stand brav angestellt, dann kam ein älterer Herr mit Krücken rein, marschierte einfach an uns vorbei, direkt zur Rezeption. Anscheinend waren hier alle so sprachlos oder rücksichtsvoll, sodass nicht einmal gemeckert wurde. Ein „Bitte“ oder „Danke“ hat allerdings keiner der geduldigen Ansteller anschließend gehört. Werde ich auch einmal so?

Was habt ihr für Erlebnisse, des nicht für einander da seins und des Zusammenhaltens im Familien-, Freundes- oder Nachbarschaftskreis habt ihr denn in diesem Sommer beobachtet?

Noch habe ich die Hoffnung nicht aufgegeben und halte meine Gedanken gerne bei dem bunten und regen Treiben des Miteinanders in unserem Wochenendgarten. Schöne symbolische Stimmungsbilder, die ich gerne auch in meinem Alltag wieder viel öfter entdecken möchte.

Mein Wunsch ist schon teilweise in Erfüllung gegangen: Seit viele Menschen wieder scheinbar gut gelaunt von ihren Urlauben oder Sommerdomizilen zurückgekehrt sind, erlebe ich wieder vermehrt das so vermisste Vorlassen beim Einsteigen in den Lift, das Türe aufhalten, das Bitte und Danke und viele weitere kleine Freundlichkeiten.

Ich wünsche mir und euch wieder mehr echtes Miteinander: Gemeinsam erleben, genießen, unterstützen und lächeln – nicht erst dann, wenn die Zeit abgelaufen ist und es zu spät ist. Vielleicht sollte man einfach eine Schule für Manieren oder eine Miteinandertauglich Prüfung für Jedermann und Jederfrau einführen – ich bin mir sicher, das würde nicht nur mich, sondern jedem einzelnen wieder mehr positive Momente im Alltag bescheren.

In diesem Sinne wünsche ich allen, dass sie ihre hoffentlich jetzt fröhliche Urlaubsstimmung und Freude noch bis tief in den Winter hinein oder vielleicht sogar länger erhalten können und somit jeden von uns viele „Für einander da sein“- und Aufmerksamkeitsmomente, die erfreuen.

Alles Liebe und angenehmen Schul-, Studium- oder Arbeitsstart wünscht

Gelly

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