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Society-Check: Kommunikation

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Dieses Thema ist mir schon lange ein Anliegen. Anscheinend bin ich fast die einzige, die noch immer am liebsten telefoniert. Mittlerweile sind aber nur mehr 3 meiner Freundinnen und natürlich meine Frau Mutter bereit, mit mir länger als ca. 30 Sekunden zu telefonieren. Viele andere Menschen sind per Telefon meist gar nicht mehr erreichbar bzw. rufen auch nicht mehr zurück, obwohl sie die Nummer auf dem Display sehen. Hat sich unsere Art zu kommunizieren schon so rapide verändert? Wollen wir das, weil wir anscheinend ja alle mitmachen?

Besonders die Jugend kennt keine Rückrufe mehr, manche wissen gar nicht wie man die Mobilbox abruft – also draufreden macht gar keinen Sinn! Falls ich meine Nichten mal telefonisch nicht erreiche, was meist der Fall ist, schreibe ich eine What´s App Nachricht und die Antwort kommt sofort. Das ist angeblich einer der Hauptgründe, warum so manche Eltern und Großeltern die neuen elektronischen Medien nutzen, um so den Status ihrer Nachkommen verfolgen zu können. Z.B. für in Beziehung oder Single, zuletzt online um …

Das Hauptthema bei unserem Familienurlaub war immer nur: Gibt es da ein freies W-Lan? Wenn das verfügbar war, war die Welt für meine Nichten in Ordnung: im Apartment, am Strand oder im Restaurant. Die spanischen Urlaubsorte sind da meist ganz gut auf diese Art von Touristen vorbereitet. Zuerst wurden ihre Nachrichten und Videos gecheckt, sobald W-Lan verfügbar war, erst dann konnten wir z.B. den Plan für den Abend oder deren Wünsche für die nächsten Urlaubstage besprechen. Ein Beispiel für schlechtes Service sind die meisten deutschen Hotels, hier ist das Service W-Lan meistens kostenpflichtig, wie meine Freundin Nena, die grad in Köln war, wieder bestätigt hat (10 Euro pro Tag wollte man für W-Lan Zugang im Hotel).

Das Roaming Paket meiner Nichte Bella (von Telering) hat zwar nicht funktioniert – sie war die ganze Woche per Telefon nicht erreichbar (nur Notrufe möglich) – was sie aber durch die vielen Free W-Lan Möglichkeiten in Spanien gar nicht störte und das klassische Telefonieren braucht sie ja sowieso nur für die Mama oder die Oma. Sie war sogar entsetzt, als ihre Freundin sie angerufen hatte, obwohl diese ja wusste, dass sie auf Urlaub sei. Unvorstellbar für mich, schon, wenn ich einige Minuten kein Netz habe, fühle ich mich doch etwas unsicher und von der Außenwelt abgeschnitten.

P.S.: Auch ich hatte mal erlebt, als ich im Stau auf der Autobahn steckte, dass ich kein A1 Netz hatte. Das ist anscheinend eine der wenigen Momente, wenn man ca. 45 Minuten im Stau steht, in dem sich noch viele Menschen Zeit zum Telefonieren nehmen. Alle hatten telefoniert, sodass das Netz einfach überlastet war. Anscheinend können wir gar nicht mehr im Auto sitzen, ohne etwas zu tun, dementsprechend ist dann auch die Unfallrate an Staupunkten, denn bei Ablenkung lässt ganz sicher die Konzentration nach – auch wenn die Freisprecheinrichtung benutzt wird.

O.k., anscheinend muss man das elektronische Medium wählen, um weiterhin in Kommunikation zu bleiben. Das war auch für mich einer der Gründe, diesen Blog zu starten, denn

  • persönliche Termine Face-to-Face und damit meine ich nicht Skype, z.B. Treffen mit Freundinnen werden oft schon wochenlang im Vorhinein ausgemacht und dann mittlerweile immer öfter kurzfristig  – manchmal sogar nur per SMS oder What´s App Nachricht – wieder abgesagt, weil man an diesem Tag vielleicht doch keine Lust hat, was allerdings meist nicht direkt gesagt wird, sondern wegen z.B. Migräne, Stress oder anderen Umständen entschuldigt wird (viele Ausreden könnte ich hier aufzählen, diese will ich euch aber ersparen).
  • Telefonieren wird immer seltener: Entweder kann ich oder mein Gesprächspartner grad nicht reden – ich hasse diese SMS, die das auch noch schriftlich mitteilt: „Ich kann gerade nicht sprechen“. Normalerweise war es früher üblich, dass man dann zu einem späteren Zeitpunkt zurückruft. In letzter Zeit vergessen aber viele, diese Rückrufe zu tätigen – oft höre ich dann, ach ja, ich habe vergessen, dich zurückzurufen – sorry – und das manchmal sogar Wochen später?
  • Interessanterweise kann man den „Ich kann gerade nicht sprechen“ People meist aber eine E-Mail schreiben und dann kommt die Antwort prompt. Vielleicht sitzen wir ja in x Jahrzehnten zusammen und haben dann das Reden verlernt, dafür sind wir dann alle Weltmeister im Schreiben? Das bezweifle ich aber sehr, denn die Schreibsprache im Netz ist ja wieder eine ganz eigene. Immer wieder muss ich bei den vielen Abkürzungen – auch im beruflichen E-Mail-Verkehr – nachdenken oder nachfragen, was das bedeutet. Kaum habe ich´s verstanden, kommt schon die nächste Abkürzung daher. Auch die Namen verschwinden, ich würde im E-Mail Verkehr nur mehr A bzw. maximal AB heißen, wenn ich mir dieselben Kurzformen angewöhnen würde. Und die Formulierungen so mancher Nachrichten unter Jugendlichen sind sowieso total exotisch für mich und wirken wie eine Sprache aus einer anderen (neuen) Welt, die man zumindest in der Schule nicht lernen kann.

P.S.: Hier noch ein Beispiel dazu: Maskulino und sein Bruder Mike hatten sich per SMS ein Treffen zum Abschied vor seiner bevorstehenden Weltreise ausgemacht. Mike hatte Freitag Abend in derselben Woche vorgeschlagen, worauf Maskulino zurückschrieb: „Do passt um 18 Uhr am selben Ort XY“. D.h. wir warteten dort am Donnerstag um 18 Uhr, weil wir Freitag ja keine Zeit hatten. Komisch kam uns das ganze erst vor, als Mike, der eher immer pünktlich ist, nicht da war und kein Tisch auf unsere Namen reserviert war. Also kein Treffen vor der Weltreise und kein Abendessen in einem meiner Lieblingsrestaurants – ich musste hungrig nach Hause und Mike ohne Abschied auf Weltreise gehen. So kann´s gehen, wenn in Kurzform kommuniziert wird und die Kurznachrichten oft nur überflogen werden. Do könnte ja auch Da auf Dialekt heißen und das s für passt`s könnte man ja vergessen haben bzw. die Tastatur verschluckt haben. Mike hatte deswegen für Freitag einen Tisch reserviert und musste auf jeden Fall ohne uns seinen Abschied feiern. Vielleicht wäre der Termin beim Telefonieren nicht geplatzt!

  • Und noch öfter habe ich in letzter Zeit im beruflichen Kontext folgende Worte gehört: Ich bat um einen Gesprächstermin, dieser war nicht möglich, denn mein gewünschter Gesprächspartner musste zuerst seine E-Mails checken. D.h. E-Mail checken ist offensichtlich viel wichtiger geworden, als persönlich ein Projekt vorwärts zu bringen. Auch bei meiner letzten Fortbildung – ein Verkaufsseminar – haben die Teilnehmer in den Pausen ihre E-Mails gecheckt und sind bei Kaffee und Kuchen schweigend nebeneinandergestanden, ohne nur ein Wort mit den anderen Seminarteilnehmern gewechselt zu haben. Strange – früher ging ich gerne auf Fortbildungen, um mich mit Kollegen aus anderen Branchen auszutauschen. Anscheinend muss ich diese Kontakte jetzt elektronisch suchen, beim Seminar ist dafür keine Zeit mehr.
  • E-Mail schicken ist Aufgaben weitergeben: Durch das einfache Weiterleiten von E-Mails oder sonstigen Nachrichten mit nur einem Tastendruck ist das Delegieren oder das Weitergeben von Aufgaben an andere Personen sehr einfach geworden. Oft werden E-Mails x-mal weitergeleitet, weil einfach keiner Lust oder Zeit hat, sich mit dem eigentlichen Thema auseinanderzusetzen. Wer soll das dann alles lesen oder sogar noch bearbeiten? Eigentlich ist derjenige, der E-Mails aufmerksam liest und diese dann bearbeiten möchte, ziemlich im Nachteil und hat dann mittlerweile einen Full-Time Job nur damit. In großen Unternehmen gehen diese E-Mails dann bis zu eine Woche lang im Kreis. Hoffentlich liest dann irgendwer doch das Ursprungsanliegen, welches dann meist ganz unten steht. Denkt dabei irgendjemand dann auch daran den Kunden zu informieren? Irgendwer sollte dann doch eine Antwort bekommen, oder? Wollen wir mit unseren Kunden und Mitmenschen kommunizieren, oder wollen wir lieber Dinge schnell weiterleiten, damit sie anscheinend erledigt sind, und nicht mehr 100 ungelesene Nachrichten erscheinen, sondern z.B. nur mehr 20?
  • Vergessen: Durch diese Flut an Nachrichten geht sicher vieles unter. Ich höre oft: ah das habe ich noch nicht gelesen oder ich hatte noch keine Zeit, zu antworten. Manche verschieben alle Nachrichten sofort in einen extra Ordner und warten, ob sich nochmals jemand meldet. Mein Ziel ist, Nachrichten innerhalt von 24 Stunden (Normalarbeitszeit) zu beantworten, das kann manchmal ganz schön stressen. Anscheinend ist das überhaupt nicht mehr üblich, den ich bekomme regelmäßig Danke-Schreiben für die prompte Erledigung – die Weiterleitung ist damit nicht gemeint! Auch die Info, ich kümmere mich um ihr Anliegen und melde mich in den nächsten Tagen wird durchaus geschätzt.
  • Mehrfachnachrichten: Auch bevor wir einen Termin vereinbaren, schreiben wir x-mal hin- und her (oder wir verwenden den Outlook Kalender oder den Doodle Kalender, so wie bei unserer Yoga-Gruppe), auch hier wollen sich meine Mitmenschen immer weniger festlegen. Termine werden sehr oft mit Fragezeichen oder Vielleicht eingetragen. Wann wollen wir uns dann treffen und wann nicht? Wenn das Wetter schön ist nicht oder schon, wenn man um 18 Uhr mit der Arbeit fertig ist schon oder nicht? Hat man dann noch genug Energie für Freunde? Sind Freunde nicht dazu da um das Energielevel zu erhöhen? Früher war das bei mir immer so, mittlerweile muss auch ich mit meiner Energie sparen, um noch genug positive Energie zu Gesprächen mit Raunzen und schlechter Laune mitzunehmen, die leider immer häufiger werden.
  • P.S.: Auch die Unart meiner Freundin Patrizia nimmt immer mehr zu: sie schreibt nicht eine Nachricht, sondern lauter Nachrichten mit kurzem Text und drückt dazwischen immer wieder auf senden. D.h. mein Handy piepst nicht nur einmal, sondern gleich zumindest 4-mal. Ich habe sie mal gefragt, warum sie das macht? Die Antwort war eindeutig, um Aufmerksamkeit zu erregen, sodass man dann auf ihre vielen Nachrichten auf jeden Fall reagiert. Reicht hier nicht eine Nachricht, müssen wir dann noch mehrere hinten nachschreiben, damit überhaupt darauf reagiert wird?
  • Sind wir lebende Kalender oder Privatsekretäre? In letzter Zeit höre ich nicht nur von Kunden, Kollegen, sondern auch von sogenannten Freunden oder Bekannten immer öfter: Kannst du mich vorher noch erinnern, dass wir das ausgemacht haben? Hallo? Bin ich eine kostenlose Privatsekretärin? Brauchen wir schon einen Concierge, der alles für uns erledigt, was länger als 30 Sekunden telefonieren oder E-Mail weiterleiten dauert? Wo sind unsere Prioritäten? Wollen wir so fremdgesteuert sein, sodass uns immer jemand oder etwas sagen muss, was wir zu tun haben oder wollen wir unseren Tag und unsere Struktur selbst festlegen und entscheiden, mit wem, wann und wo wir kommunizieren und das mit Freude und nicht nur aus Pflicht? Vielleicht sollte die Freude wieder aus dem Keller hervorgeräumt werden, denn die Dinge und die Menschen, auf die ich mich freue, vergesse ich zumindest nie!

Ich möchte euch einfach nur anregen, eure eigene Kommunikationsform und Tagesstruktur zu überprüfen und euch bewusstmachen, dass auch ihr einen Teil dazu beitragen könnt, wie sich unsere Kommunikation in Zukunft entwickeln wird. Reden, Schreiben, Videos schauen, Kurzsprachform, …?

Viele interessante Gespräche oder andere „Piepser“ auf eure Art wünscht euch

Gelly

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