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Kraut und Rüben oder doch Abwechslung?

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Aufgrund der vielen EU ja oder nein Diskussionen habe ich jetzt mein Ernährungsverhalten genauer analysiert. Den ganzen Sommer habe ich mich dank der Regionalkiste von Biomitter nur von österreichischem Obst- und Gemüse ernährt. Auch mit letzten Lieferungen und den Produkten war ich wie immer sehr zufrieden, doch recht bald ist mir dann die Freude auf Kraut und Rüben oder Karotten und Pastinaken vergangen.

Also habe ich dann doch auf die Bürokiste mit Bio-Lebensmitteln aus Europa (Spanien, Italien, Griechenland) und sogar Bananen von einem anderen Kontinent umgestellt und es war nicht nur eine besondere Freude fürs Auge – endlich wieder mal Farben in meine Küche bringen, sondern auch mein Gusto auf Obst und Gemüse ist sofort wieder wach gerüttelt worden.

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Also könnte ich mich – vor allem gesund und ganzjährig – nur von heimischen (nur österreichischen) Produkten ernähren? Nein, ich könnte das nicht. Ich bin sehr froh, dass es uns durch den „freien“ Handel (ich meine zollfrei) recht einfach gemacht wird, vor allem im Herbst und Winter, die Früchte und das Gemüse unserer südlichen „Nachbarn“ zu kaufen und zu verzehren.

Gerade zum Nikolaustag werden so manche Kinder von traditionsbewussten Eltern wieder Mandarinen oder Erdnüsse im Nikolaussackerl haben – hätten eure Kinder (falls wir uns nur von österreichischen Produkten ernähren müssten) mit Kraut und Rüben auch eine Freude? Ich glaube dann würden die gesunden Anteile ganz verschwinden und viele Eltern würden (weil es einfacher ist) auf Industrieprodukte wie Schokolade und nochmals Schokolade und nochmals Schokolade umsteigen. Noch vor einigen Jahren hatten meine Nichten noch den Inhalt ihres Nikolaussackerls geleert und sofort die Anzahl der Mandarinen und Nüsse gezählt und sich total drüber gefreut, dass es so viele sind. Ich befürchte, heute würden sie eher nach den Geldscheinen im Sackerl suchen.

Ja, die Zeiten ändern sich, doch man muss ja nicht auf alles alt Bewährte verzichten. Ich lebe gerne die Mischung aus Gewohntem und zwischendurch ein kleines Abenteuer in neues Terrain. Durch die Produkte in der Obst- und Gemüsekiste, die sehr vielfältig gemischt ist und mich immer wieder mit Produkten, die ich vorher nicht kannte – manchmal nicht einmal den Namen kannte – überrascht, erlebe ich dann manchmal mein kleines Abenteuer zuhause.

So wie dieses Mal: Ich fand darin – so wie ich glaubte – eine besonders große reife Tomate und ein paar „normale“ Tomaten, die so aussahen, als ob ich sie direkt von in unserem Sommergarten geerntet hätte. Also gab es gestern Abend unseren klassischen Tomatensalat auf italienische Art. Einfach die Tomaten waschen, schneiden – eigentlich würfeln, in eine Schüssel geben und mit Olivenöl und Aceto Balsamico marinieren.

Die große „Tomate“ hatte ich vorgekostet, weil sie sich schon etwas weich anfühlte, um zu entscheiden, ob ich sie überhaupt noch verwenden sollte. Doch sie schmeckte köstlich und süß, also durfte sie mit rein in die Schüssel. Es tat sehr gut, wieder mal schmackhaftes Gemüse, welches uns an Sommer erinnerte, zu verzehren. Es schmeckte köstlich.

Als ich dann die Rechnung der Biokiste einordnen wollte, las ich nochmals nach, wo das köstliche Obst- und Gemüse gewachsen ist – vor allem die große „Tomate“ hatte mich interessiert, weil sie ja besonders schmackhaft war. Und siehe da – man lernt nie aus – auf der Rechnung stand: 1 Stück Kaki aus Spanien!?! D.h. wir waren begeistert von der süssen Tomate, die eigentlich eine Kaki war. Dann mussten wir aber gleich im Internet (Wikipedia) nachlesen, was das überhaupt war, was uns da so begeistert hat. Ich hatte den Namen Kaki zwar schon gehört, aber zumindest bewusst noch nie gegessen – nur falls sie schon mal eine in irgendeinem Obstsalat untergemischt war, könnte mir das versehentlich passiert sein.

Also für den Tomatensalat à la Gelly braucht ihr eine Kaki und ein paar Tomaten, also die Freude, auch Produkte unserer europäischen Nachbarn auszuprobieren. Als Vorbereitungen dazu, sind nur der Mut und die Neugier, sich mal überraschen zu lassen und dann auch zu probieren, bevor man generell zu allem Fremden NEIN sagt. Wenn ihr mich gefragt hättet, ob ich Kaki mag, hätte ich wahrscheinlich mit: ich weiss nicht oder nein geantwortet. Ich hatte auch nicht das Gefühl, dass mir diese Frucht in meinem Alltag gefehlt hätte. Doch jetzt, wo ich durch Zufall und ein Missverständnis den besten Tomatensalat meines Lebens – durchmischt mit einer Kaki – gegessen habe, weiss ich, was ich durch meine vorherige Ablehnung wahrscheinlich versäumt hätte.

Ich verstehe jetzt auch meine Eltern und viele anderen Personen der Kriegsgeneration oder ehem. Kriegskinder. Meine Frau Mutter hat mir oft erzählt, wie sie sich über ein Stück – meist wirklich nur ein Stück – einer Schokolade gefreut haben, als diese im Nikolaussackerl oder Osternesterl war. Ansonsten gab es ja meist nur die Produkte aus dem eigenen Garten und die Lebensmittel, die sich den ganzen Winter über im Lehmkeller gehalten hatten. Einige Äpfel und Birnen, viele Kartoffel- und Mehlprodukte. Daher ist es für diese Generation ja eigentlich noch immer ein Wunder und manchmal auch eine Überforderung, was man jetzt alles kaufen kann. Oft wird noch immer vor allem die Größe der Portionen beurteilt, weil das nicht immer selbstverständlich war, dass der Teller täglich und vor allem mit dieser Vielfalt voll ist.

Dazu noch eine persönliche Geschichte: Als ich mal vor Jahrzehnten in Moskau war, gab es theoretisch auch alles. Die Speisekarte im Hotel war 4 Seiten lang (kleingeschrieben), also überlegten wir lange, was wir bestellen sollten. Als der Kellner dann kam, meinte er – heute gibt es nur 2 Portionen von der Speise XY, alles andere war leider nicht verfügbar. Dieses Schockerlebnis habe ich bis heute in Erinnerung, denn was nutzt es mir, wenn ich theoretisch alles bestellen kann und dann aber doch auf das, was grad in der Region vorhanden ist (bei uns wären das jetzt Kraut und Rüben), zurückgreifen muss. Und es noch gar nicht soooo lange her, dass man in manchen Nachbarländern z.B. Bananen nur mit „Schmierseife“ bezahlen konnte. Ich habe mir sagen lassen, das war „Bückware“, also unter der Theke versteckt und nur für bestimmte Kunden gedacht.

Ich sehr glücklich darüber in diesem Land leben, wo man wirklich fast alles, was das Herz begehrt, kaufen kann und trotzdem ernähre ich mich gerne von regionalen Produkten und versuche, auch Unternehmen, die in diesem Sinne arbeiten, zu meinen Hauptlieferanten zu machen. Bei Obst und Gemüse ist mein Heimatverständnis zwar da, doch jetzt im Winter bin ich sehr froh, dass ich saisonbedingt den einfachen Zugang zu „ausländischen“ Produkten habe.

Ich wünsche euch einen bunten Herbst und Winter, dank der Vielfalt, die uns täglich zur Verfügung steht

Gelly

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