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Sprachlos in Wien?

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Irgendwie passiert es mir jetzt immer öfter, dass ich sprachlos bin. Ohne Vorbereitung geschehen Dinge oder nicht, werden Worte gesprochen oder Gesten gezeigt, die mir wirklich die Sprache verschlagen

Ich war zwar noch nie schlagfertig (mit Worten) und sonst auch überhaupt nicht, doch in den letzten Wochen, in der schönen, besinnlichen und friedlichen Adventzeit gibt es immer mehr Situationen, die meinen Kopf zum Schütteln bringen und meine Worte verstummen lassen.

 

Was sagt man z.B. wenn …

  • man im Drogeriemarkt einen alten Mann sieht, der eine Packung von Geschirrspültabs aufreisst und ein paar herausfingert? Er und ich blieben wie angewurzelt stehen, schauten uns tief in die Augen, bis ich dann weiterging.
  • man bei einem kurzen Fussweg in der Wiener Innenstadt mitten unter den tausenden Einkaufstaschen, die an einem vorbeimarschieren, gleich mehrfach um Geld gebeten wird: z.B. von einem Mann, der Zeitungen verkauft und von einem gut gekleideten Passanten, der angeblich Geld braucht, damit er seine Wohnung nicht verliert?
  • man Dinge für einen Sozialen Zweck zur Verfügung stellt und dann mit der Restware mehr Geld als den für den sozialen Zweck verkauften Warenwert zurückbekommt?

 

  • eine Hundebesitzerin ihren Hund direkt bei der Eingangstür pinkeln lässt, sodass jeder, der das Haus betritt in die Lacke hineinsteigen wird?
  • man täglich ein einem Haus mit hohem Gartenzaun vorbeigeht und der Hund einem immer knurrend, bellend, zähneknirschend und hochhüpfend als mögliches Opfer den Zaun entlang begleitet, wenn man weiss, das er schon einmal jemand in den Oberschenkel gebissen hat?
  • man jemanden, von dem man glaubt man sei befreundet, nie zurückgerufen wird?
  • man etwas von einer „Freundin“ braucht, sie anruft und bittet, dass sie sich in den nächsten Tagen meldet, wenn sie mehr Zeit hat und dann wochenlang nichts mehr von ihr hört?
  • was sagt man oder schreibt man, wenn man bei drei Anrufversuchen an verschiedene Personen Nachrichten wie – ich kann jetzt nicht sprechen, ich bin grad beschäftigt und melde mich später oder kann ich dich später anrufen? – zurückbekommt?
  • jemand einen Wochentagstermin für 11 Uhr absagt, weil er oder sie verschlafen hat?
  • man eine elektronische Nachricht bekommt wie z.B. „Heute ist wieder ein furchtbarer Tag“ und dann beim Anrufversuch keiner abhebt?

 

  • man sich zu einem verabredeten Treffpunkt begibt, von dem alle Teilnehmer Informationen über Zeit und genauen Ort bekommen haben und man kurz davon nochmals gebeten wird, eine Nachricht mit der Adresse und einer Wegbeschreibung zu schicken?  (weil man ja selbst nichts anderes zu tun hat!)
  • man bei einer Anfrage um Informationen von seiner Bank eine E-Mail bekommt, die erklärt, dass man sich innerhalb der nächsten 14 Tage melden wird?
  • man von einem Servicecenter, das man mit E-Mail kontakiert hat, gebeten wird, anzurufen, weil das hohe Arbeitsaufkommen es nicht möglich macht, die E-Mails zeitnah zu beantworten? (die Minuten Zeit, die man dann in der Anrufschleife verbringt, hat ja eh` jeder …)
  • man laufend gebeten wird, E-Mails noch einmal zu schicken, weil sie anscheinend nicht angekommen oder untergegangen sind (auch ich nehme mir die Zeit zum Schlichten und Suchen meiner elektronischen Post!)
  • man eine elektronische Rechnung bekommt, bei der man gebeten hat, dass diese noch in diesem Jahr eingezogen wird und dann draufsteht: Abbuchung ab 30.12.2018?

 

  • man bei jeder Autofahrt in Stadtzentren derzeit einen Hürdenlauf hinlegen muss – links ausweichen, rechts ausweichen, scharf abbremsen oder schnell Gas geben, damit man ja kein Hindernis wie unachtsame Aus- oder Einparker, Fußgänger, Radfahrer, Kinder, Hunde, Müllreste, Überholer, Drängler usw. erwischt?
  • man einen Treffpunkt bei einem Parkplatz neben einer Autobahnabfahrt vereinbart und der Beteiligte nach 30 Minuten immer noch nicht auftaucht und auch telefonisch nicht erreichbar ist – weil die Freisprecheinrichtung nicht funktionniert?
  • man täglich im Müllraum irgendwelchen Sperrmüll findet, bei dem der Besitzer einfach nur zu faul war, ihn zweckmässig zu entsorgen und die Entsorgung wieder einmal von der Allgemeinheit (den anderen) bezahlt werden muss?
  • man nach einem Brief und einer Mängelbehebung an einer Ferienimmobilie im Spätsommer plötzlich Anfang Dezember noch eine 2. Aufforderung für eine weitere Mängelbehebung bekommt, die bis spätestens 17. Dezember erledigt sein muss und sonst ein Abbruchbescheid ins Haus flattert? Wo findet man um diese Zeit einen Handwerker, der so kurzfristig noch Zeit und Lust hat solche Arbeiten zu erledigen?
  • man gesagt bekommt, dass sein Buch in einer bestimmten Buchhandlung aufliegen wird und bei der Rückfrage vor Ort die Auskunft bekommt, dass das Buch noch nicht geliefert werden kann, obwohl man selbst schon viele Exemplare in der Hand gehalten hat?

 

  • man mit der Frau des Arztes plaudert, weil sie fragte, wie es mir geht und von hinten eine Stimme das Gespräch unterbricht und meint: „Ihre Zeit ist abgelaufen!“?
  • man sich brav an der Reihe anstellt und irgendjemand rasender sich vordrängt oder vorschlängelt und meint er hätte Vorrang?
  • man an der Supermarktkasse eine Ewigkeit wartet, bis ein Herr mit Badeschlapfen und einem Einkauf von 2 Flaschen mit hochprozentigem Alkohol vor einem eine gefühlte Ewigkeit braucht, bis er sein Geld gefunden und seinen Einkauf transportieren kann?
  • man in der Apotheke als zweite in der Reihe andauernd von einem „vorpupertierendem“ Kindergartenkind angestossen wird, dass sich und andere andauernd damit beschäftigt, etwas vom Regal zu nehmen und damit von der Mama – rund um mich – davonzulaufen?
  • Leute zum Arzt oder ins Krankenhaus kommen und meinen sie hätten nur heute Zeit, ob sie nicht noch – am besten gleich – drankommen könnten, allen bereits geduldig wartetenden noch mehr Verzögerungen schenken und mit allen möglichen Erklärungen aufwarten, warum sie nicht wie jeder andere auch einen Termin vereinbaren und dann zur rechten Zeit kommen können?
  • Botendienstfahrer und Stromzählertauscher, laut Auskunft der Zentrale an dieser Adresse niemand anzutreffen konnten, obwohl man selbst pünktlich und vielleicht schon stundenlang genau an dieser Adresse auf die Lieferung oder den eingeplanten Termin gewartet hat?

Dies sind wahrscheinlich einige der Gründe, warum ich ein Advent- und Weihnachtsmuffel bin. Natürlich treffe ich auch gerne Freunde, um gemeinsame schöne Stunden zu verbringen, doch gleichzeitig sehne mich in diesen Tagen auch schon nach Stille, Ruhe, Einstimmung und Vorfreude auf die kommenden Feier- und Familientage.

Es macht mich traurig, wenn ich dann besonders um die Vorweihnachtszeit viele Situationen, die mit Armut, Rücksichtslosigkeit und purem Egoismus verbunden sind, erlebe.

Doch zum Glück gibt es nicht nur solche Begegnungen, die mich derzeit eher sprachlos machen, sondern auch sehr nette Erfahrungen, wie z.B. die Weihnachtskarte, die bei der letzten Biokistenlieferung für dieses Jahr dabei war.

„Merry Christmas, Frohe Weihnachten und einen guten Rutsch ins neue Jahr wünscht ihnen ihr Kistenzusteller G.Z.“ Danke dafür an einen Menschen, den ich nicht einmal kenne, doch der mich alle 14 Tage (wahrscheinlich schon mitten in der Nacht) mit tollem Frischgemüse und Obst beliefert und dieses immer pünktlich und unbeschädigt vor meiner Wohnungstüre abstellt – das ist das ganze Jahr über wie Weihnachten für mich, mein ganz persönliches Packerl zu jeder Jahreszeit.

In diesem Sinne wünsche ich mir selbst und vielleicht auch einigen anderen wieder mehr Worte, offene Kommunikation und freudige Erlebnisse in diesen letzten Wochen des Jahres 2018.

Alles Liebe und nicht zu hektische Vorweihnachtstage wünscht

Gelly

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